Organisation: Juliane Sonntag, Fotos: Tom Becker

Tour Bodensee: Peter Lenk

Eine Rückschau. Die erste Station der Kunstreise 2024 vom 26.7. bis zum 27.7. war der bekannte deutsche Bildhauer Peter Lenk. Weitere Ziele waren das Otto Dix Wandgemälde in Singen, das Dix Haus in Gaienhofen, St. Gallen, das Haus Würth in Rohrschach und schließlich die Besichtigung der Seebühne der Bregenzer Festspiele.
(Titelbild: Peter Lenk’s Imperia in Konstanz – Bildquelle: Pixabay)

Noch bevor wir im Lenk’schen Bildhauergarten ankamen fuhr der Bus erstmal einen Schlenker. Und so kam es – noch ohne den Künstler selbst – zum ersten Kontakt mit seinem Werk dem „Narrenschiff“, das seit 2018 die Außenwand des Seeums in Bodman ziert. Das 10m x 6m große Relief aus Kalksteinguss wiegt mehrere Tonnen. Aktuelles Geschehen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verarbeitet Peter Lenk zu deftiger Satire. Gezielt und detailreich beleuchtet dieses Relief den Dieselskandal, dabei werden beteiligte Politiker, Manager und Prominente schonungslos angeprangert. Prompt diskutierte unsere Reisgruppe lautstark und heiter: „Wer ist wer ?“ und „wer wurde gut oder schlecht getroffen ?“.
Das Motiv bezieht sich auf eine Moralsatire von Sebastian Brant (1457-1521) in der er die Laster seiner Zeit (Völlerei, Trinksucht, Neid, Geschwätzigkeit, Hurerei, und vor allem Habsucht) beschrieben hat. Brant schrieb:
„Wir suchen in tiefem Schlamm das Glück, Drum wird uns Strandung bald zuteil, Es bricht uns Mastbaum, Segel, Seil.“
Und er meinte damit im übertragenen Sinn, dass das Schiff in Richtung Schlaraffenland steure, bis es schließlich Schiffbruch erleidet.
Peter Lenk übertrug dieses Motiv in die heutige Zeit und verspottet damit gesellschaftliche Missstände.

Endlich: ein Blick über den Gartenzaun auf Peter Lenk’s Bildhauergarten. Die harmonische Blütenidylle trügt, denn bei Eintritt ist bissige und provokante Satire angesagt!

Bildhauer Peter Lenk
Bei der Recherche zu Peter Lenk fällt einem schnell auf, dass man vor allem Berichte über seine Werke und die zum Teil heftigen Reaktionen darauf findet und relativ wenig über die Person an sich.
Lenk selbst schreibt auf seiner Homepage, dass er über die „Bildungsstationen“ Kindergarten, Klosterschule, Akademie und andere Umwege nach Bodman am Bodensee gekommen sei. Viel mehr ist über den Mensch Peter Lenk nicht in Erfahrung zu bringen. Unternehmen wir also den Versuch, uns ihm über zwei weitere seiner Werke zu nähern.

Da wäre zunächst die Imperia (siehe auch ihre Großaufnahme im Titelbild), eine neun Meter hohe Statue an der Hafeneinfahrt von Konstanz. Sie ist 18 Tonnen schwer und dreht sich ständig um ihre eigene Achse. Sie zeigt eine üppig ausgestattete Kurtisane mit tief ausgeschnittenem Dekolleté und einem Umhang, der von einem Gürtel nur notdürftig umschlossen wird. Sie trägt auf ihren erhobenen Händen zwei zwergenhafte nackte Männlein. Der Mann in ihrer rechten Hand trägt auf seinem Haupt die Krone eines Königs und hält einen Reichsapfel in der Hand; die Figur in ihrer Linken trägt eine päpstliche Tiara und sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen. Peter Lenk sagt dazu: „Es handelt sich bei den Figuren der Imperia nicht um den Papst und nicht um den Kaiser, sondern um Gaukler, die sich die Insignien der weltlichen und geistlichen Macht angeeignet haben. Und inwieweit die echten Päpste und Kaiser auch Gaukler waren, überlasse ich der geschichtlichen Bildung der Betrachter.“ Die Statue war zu Beginn heftig umstritten. Vor allem die Konstanzer Kirchen und konservative Stadträte protestierten gegen die Erhebung einer Prostituierten zum Denkmal und gegen die als zu derb empfundene Darstellung des Papstes. Zu den Gegnern zählte auch der Kunstverein, der die künstlerische Qualität der Statue bezweifelte. Da die Statue jedoch auf dem Privatgrundstück der Deutschen Bahn errichtet wurde und nicht auf städtischem Gelände, war es dem Gemeinderat nicht möglich, den Bau zu verhindern. Der Denkmalschutz sah in der Statue keine Beeinträchtigung der Stadtsilhouette. In Kürze entwickelte sich die Imperia zu einer Touristenattraktion. Sie ziert bereits Stadt- und Reiseführer und ist mittlerweile ein Wahrzeichen der Stadt geworden. Wir konnten auf unserer Schifffahrt die Imperia vor dem Konstanzer Hafen ausgiebig betrachten.

Außerdem soll hier unbedingt das Werk „Schwäbischer Laokoon“ erwähnt werden. Sicher kennen Sie alle die Sage von Laokoon und seinen Söhnen oder doch zumindest eine Darstellung der Laokoon-Gruppe aus den vatikanischen Museen. Laokoon hatte als einziger die List der Griechen durchschaut, die vorgaben, Troja zu verlassen und der Stadt zur Ehre der Götter ein hölzernes Pferd zu schenken, in dem jedoch griechische Kämpfer verborgen waren. Nachdem er die Trojaner erfolglos vor diesem Betrug gewarnt hatte, erschienen zwei von der Göttin Athene gesandte Schlangen, die Laokoon mit seinen beiden Söhnen töteten. Die schon erwähnte Laokoon-Gruppe stellt den heldenhaften Kampf der drei Männer mit den Schlangen in großartiger bildhauerischer Form dar.
Soweit zum Inhalt der Sage.

Unser schwäbischer Laokoon, der statt mit Schlangen mit einem sich windenden ICE ringt, ragte an seinem Standort vor dem Stadtpalais fast zehn Meter hoch in den Stuttgarter Himmel . Auf seinem Sockel wurde demonstriert, eine Tunneltaufe gestürmt und im S-21-Freibad badeten die Leut‘. Über dem Kopf des Laokoon schwebten die für das Jahrhundertloch mitten in Stuttgart verantwortlichen Manager und Politiker in luftigen Höhen, im „Wolkenkuckucksheim“, wie Peter Lenk es nannte.

Aufgestellt werden sollte die Skulptur mit dem Untertitel: „Chronik einer Entgleisung“, eigentlich vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Das war zumindest die Idee des Künstlers. Schließlich ist es dann der Vorplatz des Stadtpalais geworden, schräg gegenüber vom Landtag. Von Oktober 2020 bis Juni 2021 konnte das Werk dort bestaunt, bewundert oder sich darüber geärgert werden.
Leider konnten sich die Stadt Stuttgart und der Künstler nicht auf einen aus beider Sicht geeigneten Folgestandort einigen. Er hat das Werk daher daheim in seinem Garten aufgestellt. „Die Skulptur steht bei mir am Bodensee ausgezeichnet“, hat er den Stadträten seinerzeit mitgeteilt. Man könne sie ja dann wieder abholen, wenn der richtige Platz gefunden sei.

Dass Peter Lenk als „Schwäbischen Laokoon“ unseren Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann verewigt hat, dürfte Ihnen allen bekannt sein. Wer die vielen anderen mehr oder weniger Prominenten sind, die auf dem Werk zu finden sind, müssen die Betrachter selbst bei einer Besichtigung herausfinden.

 

Zu Peter Lenk ist noch zu erwähnen, dass er zu Beginn seiner Laufbahn in den 1980er Jahren vor allem durch ungenehmigte Arbeiten auf sich aufmerksam gemacht hat. Seine Arbeiten werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit als Pornokunst, Sauerei, billige Effekthascherei oder gar als abartig bezeichnet. Er selbst wird mit Attributen wie Ästhet des Hässlichen oder fieser Provokateur bedacht. Er spaltet die Betrachter seiner Werke meistens in begeisterte Fans und erbitterte Gegner. Man mag ihn als Bürgerschreck, modernen Till Eulenspiegel oder hintersinnigen Lügenbaron. Oder man hasst ihn als einen, der keine Autoritäten und keine Regeln anerkennt.

Er sei nur Kunsthandwerker, mokieren sich viele über die gegenständlichen, burlesken Figuren, die seien doch eher Karikaturen als Kunst. Dieser Aussage hat Peter Lenk einmal zugestimmt und einen Freund zitiert, der sich beklagt hatte, weil Lenk damals anlässlich seines 60. Geburtstags nicht groß gefeiert hat: „Kein Koks, kein Fest, seit 37 Jahren mit der gleichen Frau verheiratet, du bist doch kein Künstler.“
Egal, wie man zu ihm steht, es war eine außergewöhnliche und abwechslungsreiche Führung durch Peter Lenk in seinem Bildhauergarten!

Im Bildhauergarten finden sich Repliken oder Abgüsse von Skulpturen, die als Teil von größeren Ensembles in Städten installiert sind oder vielleicht auch nicht realisiert wurden. Werke von Peter Lenk gibt es vornehmlich in Städten Baden-Württembergs, aber auch in NRW, Mecklenburg -Vorpommern, Hessen und Berlin. Nachfolgend einige Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit (in der Reihenfolge obiger Bilder).

Löwe mit dem Bogenschützen Amor
In einem Heftchen über die Imperia heißt es: „Den Sockel seiner Imperia wird Peter Lenk noch mit mehreren Löwen ergänzen“. Der Künstler hätte Anfang der 90er Jahre ein Modell einer Löwenfigur angefertigt, auf dessen Rücken ein kleiner Amor reitet. Diese Statue sollte zu Füßen der Imperia aufgestellt werden, wobei der Bogen des Amor auf das Konzilgebäude gerichtet sein sollte. Dies ist aber nicht geschehen.

Pendelschlag 2000 in Herrenberg
von Peter Lenk und Hellmut Ehrath,
gestiftet vom Herrenberger Köche-Stammtisch e. V..
„Das Standbild stellt verschlüsselt die Hinrichtung (Vierteilung) des Malers Jerg Ratgeb im Jahre 1526 aufgrund seiner führenden Teilnahme am Bauernkrieg dar. Man sieht Ratgeb im Bilderrahmen einen Häscher abwehren. Dieser hat statt einer Waffe ein in Huhn in der Faust. Ein Hinweis auf die Zeit des Bauernkrieges. Die 7 kleinen Figuren, nur die Köpfe sind in natürlicher Größe, stellen das „Volk“ im Jahr 2000 dar. Das Labyrinth symbolisiert den verschlungenen und durch viele Irrtümer führenden Lebensweg – vita nostra error“.(Quelle: Stadt Herrenberg)

Das Glücksschwein in Schwetzingen
steht auf dem Schlossplatz gegenüber dem Eingang zum Schloss und wurde anlässlich des 1250jährigen Jubiläums aufgestellt. Dargestellt wird der Kurfürst Carl Theodor mit seiner Mätresse, der in der Sichtweise von Lenk nicht durch eine kriegerische Einstellung geprägt war, sondern die schönen Künste liebte und außerehelichen Abenteuern nicht abgeneigt war. Inspiriert wurde diese Art der Darstellung wohl durch eine Bemerkung Friedrichs II., wonach dieser Carl Theodor einen „faulen Kerl und Glücksschwein“ nannte.
(Quelle: wunderkraeuter.de)

Das Hölderlin Kunstwerk in Lauffen
Ist im Garten nur fragmentarisch vorhanden und zeigt das „Doppelwesen“ Goethe-Schiller: der massige Körper Goethes und der klassizistisch geformte Schiller, der aus dem Rumpf Goethes erwächst. Goethe senkt im Bewusstsein seiner Macht den Daumen über Hölderlin. Ihr Verhältnis war von Anfang an kühl. Dabei steht der Herzog Carl Eugen von Württemberg (Regierungszeit: 1744–1793) in Siegerpose mit in die Hüften gestemmten Händen auf dem verendenden württembergischen Hirsch als Sinnbild des absolutistischen Herrschers.
(Quelle: Stadt Lauffen am Neckar)

Die Dix-Kurve
Auf der späteren Fahrt nach Gaienhofen zum Museum Haus Dix kamen wir an der Dix- Kurve von Peter Lenk vorbei. Direkt an der Hauptstraße liegt dieser Blickfang, der als Wegweiser für das Dix Museum gedacht ist. Für die 8m hohe Installation hat der Künstler im Jahr 1997 zwei Paradiesvogel-Figuren, aus dem Großstadttriptychon von Otto Dix entliehen. Dix hat das Großstadttriptychon 1927/28 in Dresden in altmeisterlicher Lasurtechnik auf Holz gemalt. Das Großstadt Triptychon ist das zweite große Hauptwerk von Otto Dix. Es zeigt die konzentrierte Großstadterfahrung von Otto Dix nach dem Krieg, besonders aus seinen Berliner Jahren.

Am ersten Tag dieser Reise standen demnach zwei Künstler im Mittelpunkt: Peter Lenk und Otto Dix, über den noch separat berichtet wird. Zwei Künstler, die hier in der Region gewohnt und gearbeitet haben und dies im Fall von Peter Lenk auch heute noch tun. Gleichzeitig zwei Künstler, die sich auch immer wieder begegnen und deren Wege wir mit der Reise kreuzten.