Unser Vereinsmitglied feierte seinen 90. Geburtstag

Gerhard Hezel 90 Jahre

Der Sohn gratuliert dem Vater nach einem musikalischen Ständchen zusammen mit den Enkeln: Gerhard Hezel wurde mit der Ausstellung „90 Bilder zum 90sten“ am Sonntag, 21. September 2025 in der Galerie im Zeitungsverlag Waiblingen, Albrecht-Villinger-Straße 10, geehrt. Die Ausstellung ist bis zum 7. November zu den Öffnungszeiten des Verlages zu sehen. Sie sollten sie unbedingt besuchen!

Fotos Vernissage : Ute Pfähler

Erinnerungen

Gerhard Hezel wird 90 Jahre? Das muss ein Schreibfehler sein, so mein erster Gedanke.
Er mag Menschen, malt sie aber nicht. Er ist hintergründig und humorvoll. So kenne ich Gerhard Hezel.
Kennengelernt haben wir uns aber nicht in Sachen Kunst, sondern bei den VfL Leichtathleten: Gerhard an der Kugel, dem Diskus oder Hammer. Ich über 100 m, 200 m und 400 m . So waren wir gemeinsam auch bei den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften unterwegs im Stuttgarter Neckarstadion, so ein Dokument mit der Mannschaftsaufstellung aus dem Jahre 1968.
Wir hatten auch die eine oder andere gemütliche Runde in seinem Atelier, dem Souterrain in der Eugenstraße. Dort durfte man feiern, wurde ab vorher instruiert: Fasst nicht mein Arrangement auf dem Ateliertisch an, das male ich gerade. In der Eugenstraße lernte ich auch seinen ersten Fanclub kennen, die seine Bilder schon frühzeitig schätzten und hängten: die Familie Künzel und mein Vetter Fritz Ostertag.
Gerhard war Gründer der Waiblinger Künstlergruppe und des Fördervereins „Freunde der Galerie Stihl Waiblingen“. Zu sehen in zahlreichen Einzelausstellungen und Gruppenausstellungen. Nun würdigt eine Ausstellung „90 Jahre – 90 Bilder“ im Zeitungsverlag seine langjährige Arbeit als Künstler.
Natürlich hat man auch seinen eigenen Hezel im Hause hängen! Vor gut 40 Jahren gekauft und er gefällt immer noch. Oft stehe ich vor dem Bild von dem Bretterbauzaun in der Schmidener Straße. Gerd erläuterte mir einen seiner Gedanken: Was passiert hinter dem Zaun, wohin führt die Energie der verschlungenen Stromstränge? Aber eigene Interpretationen überlasst er einem selbst, typisch Hezel.

Hansjörg Thomae

Gerhard Hezel wurde 1935 in Waiblingen geboren und wuchs in den prägenden Jahren des Zweiten Weltkriegs auf. Früh begann er eine Ausbildung als Plakat- und Werbemaler und gestaltete ab 1951 großformatige Kinoplakate. An der Kunstakademie am Killesberg vertiefte er sein Können in Malerei und Lithografie, bevor er 1964 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Als Mitbegründer der Waiblinger Künstlergruppe zählt er seit über sechs Jahrzehnten zu den prägenden Figuren der regionalen Kunstszene. Er war auch mit Gründungsmitglied der Freunde der Galerie Stihl Waiblingen e.V.

Die Geschäftsführerin des ZVW Dr. Ruth Betz begrüßt

Der Sohn ehrt den Vater

Grußwort vom Oberbürgermeister Sebastian Wolf

Wolgang Neumann hält eine Laudatio auf Gerhard Hezel

Laudatio von Wolfgang Neumann

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Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Oberbürgermeister Wolf, Familie Villinger und ganz wichtig, lieber Gerhard Hezel mit Familie,

90 Jahre, 90 Bilder – welch beeindruckende Bilanz und welch schöner Anlass für einen Sonntag morgen, der etwas Licht und Sonne in unsere Gehirne und Herzen bringt. Beim Weg hier ins Casino hinauf sind sie schon an der Fülle eines künstlerischen Schaffens vorbeigekommen, welches unbedingt beeindruckt, welches 75 Jahre lang bis heute entwickelt und mit Leidenschaft betrieben wurde und wird und hier im Herzen von Waiblingen, an geeigneter Stelle, gewürdigt und gezeigt wird. Denn Kunst muss Zentren und Orte haben, wo sie entsteht und wo sie gezeigt und gesehen werden kann. Diese Orte sind in Zeiten, die anstehen und mit Einsparungen und Verteuerungen einhergehen, in ihrer Erhaltung sehr wichtig. Daher ist es eine wesentliche Anlaufstelle für künstlerisch interessierte Öffentlichkeit hier im Zeitungshaus Waiblingen.

Einige Worte vorweg: Ich habe mich sehr gefreut und geehrt gefühlt, dass Gerhard mich angesprochen hat die Einführung zur Ausstellung zu sprechen, denn sicherlich sitzen hier viele, die ihn noch länger, vielleicht oder sicherlich noch besser und umfangreicher kennen als ich das tue, aber ich verstehe es als eine besondere Verbindung, die seit unserem Kennenlernen vor etwa 15 Jahren besteht, durch zahlreiche Gespräche über Kunst und die Welt, gemeinsame Ausstellungen und Aktionen – zuletzt im letzten Jahr auch das Gespräch hier im Raum mit einem meiner Kunst-Kurse vom Staufergymnasium – gefestigt wurde. Der sicherlich beste Sprecher zu seinen Bildern ist der Maler eigentlich immer selbst, weil dadurch transportiert sich die Herangehensweise, der Humor, die Ideenfindung in idealer Weise. Ich rate daher unbedingt mit ihm selbst zu sprechen, ihm Fragen zu stellen.


Ich möchte in meiner Einführung einen Rahmen spannen, das zeitliche Umfeld, die berufliche Entwicklung, auch die einhergehende künstlerische Entwicklung beachten und dabei einzelne Werkaspekte als Anker heranzuziehen, in chronologischer Reihenfolge was auch dem Hängungskonzept entspricht. Im Eingangsbereich nämlich startet man mit vielen Werken der 1960er Jahre und es entwickelt sich nach oben zur Aktualität.
Geboren wurde Gerhard Hezel 1935 in Waiblingen, getauft in der Michaelskirche, damals noch äußere Kirche genannt. Er berichtet gerne, dass es früher – auch innerhalb der Stadtmauern von Waiblingen – völlig anders ausgesehen habe. Sehr wenige Autos, sehr ländlich geprägte Häuser, Höfe mit Vieh im Stall. Man lebte mit den Jahreszeiten und von dem, was man anbauen konnte. Die Winter waren rauer, den Feigenbaum – den er auf einigen Bildern verewigte und der gerade in seinem Garten prächtig Früchte trägt, gabs hier nicht im Außenbereich – weil die Winter noch recht hart waren. Die Häuser waren ungedämmt und teilweise verfallen. Geradezu steinzeitlich im Vergleich, sagt er dann lachend. Doch 1935 steht Unheil bevor, befand sich das Land in einer Vorkriegszeit, es wurde aufgerüstet und das von breiter Bevölkerung getragene Naziregime bereitete sein tausendjähriges Reich vor. In der Kriegszeit ging er in die Grundschule, saß neben seiner Schulfreundin und lernte schreiben und lesen, seine Radiergummis wird er dereinst in einer Hitlerparaphrase inszenieren, die er „den großen Radierer“ nennt, wegen Bombenangriffen wurde er in der Schule mit einer blechernen Atemschutzmaske ausgestattet, die er auf dem Bild „meine beiden Masken“ 2021 in der Pandemiezeit wieder ins Bild rücken wird. Kurz nach Kriegsende wurde er 10 Jahre alt und ging insgesamt gar nicht allzu lange zur Schule, wie er heute bedauert, weil – über Hörensagen eine Ausbildungsstelle zum Plakat- und Werbemaler winkte, die er kurzentschlossen antrat, bevor er, der wissbegierige und scharfsinnige Beobachter, eine Oberstufe besuchen konnte.
Als Werbemaler startete er bereits ab 1951 und illustrierte im Großformat Kinofilme mit Grete Weiser und Theo Lingen, den Stars des Nachkriegs- und Wirtschaftswunderdeutschlands, in dem es immer was zu tun gab. Leider sind solche Bilder, die als fotoreale Darstellungen mit Schriftelementen mit Sicherheit auch wichtige Übungen und handwerkliche Prägungen für ihn waren, nicht mehr erhalten, Gebrauchsgrafik eben, sodass er aber ab 1960, inzwischen 25 Jahre alt, seine eigenen Ideen ins Format bringen wollte und somit noch an der Kunstakademie am Killesberg seine Fähigkeiten in Malerei und Lithographie vertiefend studierte. Seit 1964, also seit 61 Jahren, arbeitete er freischaffend, weil ein Künstler ja nicht in den Ruhestand gehen kann. Schon zuvor war er Gründungsmitglied der Waiblinger Künstlergruppe, die es nun bereits fast 65 Jahre gibt, als eine der am längsten aktiven Künstlerzusammenschlüsse. Und aus diesen ersten Jahren sehen wir heute schon Bildwerke im Eingangsbereich des Zeitungshauses. Lassen Sie uns näher herantreten, unter dem Titel „Radioapparatur“ sehen wir ein kleines Breitformat voller Formen, die an eine Anordnung von Gegenständen erinnern, wie ebenso an eine Stadtansicht, in denen jedes Fläschchen ein Haus sein könnte. Es sind natürlich Transistoren und Kondensatoren. Man möchte sich orientieren und sucht erst nach dem Maßstab, aber erahnt Dinge des Alltages: Flaschen, Deckel, Packungen, die mit Überschneidungen und einem raffinierten flächig, auch lasierend geschichtet gemalten Stil aufwarten. Es sind möglicherweise die Bilder von Gerhard Hezel, die sich am weitesten von der Fotorealität entfernen, aber die großartige Welt der Dinge bereits erahnen lassen. An vielen Akademien wurde abstrakt gegenstandslos gearbeitet, Einflüsse der Moderne Hölzel, Baumeister usw. waren sichtbar. In diesem besagten sehr poetischen Bild klingen auch Farbakkorde von Paul Klee an, alles sicher Künstler, die einen Malereistudenten beeindruckten. Und: es ist kein Mensch drauf. Aber, so wie es immer fortan sein wird bei ihm: es ist viel Mensch drin.


Denn Gerhard Hezel ist ein Anthropologe, ein Forscher, der menschliches Leben und Verhalten mit den Artefakten und Dingen, die diesen umgeben, beschreibt. Möglicherweise heißt ein Bild „Portrait“, aber es wird immer indirekt und ohne Menschengesicht bleiben. Jeder Bildidee liegt eine Erzählung, eine Erkenntnis oder mindestens eine doppelbödige Titelei zugrunde. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass Gerhard Hezel mit seinen vielen Interessensgebieten ein Phänomen ist: Er sammelt Steine, Ziegel (auch eine Verbindung zu Waiblingen), Postkarten, Emaille-Schilder der Jahrhundertmitte und – eine besondere Tatsache: Zeugen. Ein Zeuge ist ein münzartig geprägtes Tonplättchen, welches rund um einen Grenzstein in den Boden gegeben wurde, damit niemand diesen zu seinen Gunsten verschieben könne. Diese Zeugen aus dem näheren Umfeld besitzt er sortiert in allen Farben und Formen. Mir gefällt der Begriff des Zeugen gut, denn eigentlich sind alle Bildnisse von Hezel voller Zeugen und Zeugnisse des Menschen, Menschengemachtes und Menschengenutztes, welches viel Zeugnis gibt über die Art wie wir gelebt haben und leben. Die Dinge veränderten sich mit den Jahren und ihre Kombinationen auf den Bildern rufen neue Assoziationsketten auf. Die Dinge veralten, aber das Bild davon bleibt in der Kunst eingebunden. Auch die ganz persönlichen Dinge – seine Atemschutzmaske der Grundschule, ja bis zur Wärmflache aus seinem eigenen Kinderbett, sie werden aufbewahrt, für ein Bild in neue Zusammenhänge gestellt und nach Vorlage abgemalt. Als eitle Nabelschau ist das nicht zu verstehen, sondern als beispielhaftes, bildnerisches Nachdenken über das, was war und ist ohne die Attitüde die Welt zu erklären oder Einfluss zu nehmen. Der Hezel von heute lässt sich bald erahnen, denn es folgen Bilder wie das BP-Stillleben mit Ölkännchen und Gläsern, Aufschriften und Gegenstände klären sich und grenzen sich vom Hintergrund ab. Dennoch dominiert das „Colore“, also die Farbmodellierungen verfestigen sich zu tiefen marmorierten Flächen, die ganz malerisch entwickelt und moduliert sind. Im Inhalt schimmert die Prägung des Werbemalers durch, der die Typographie schätzt und die Ästhetik wie Farbkraft der Schriftzüge und Logos. Hier bei BP zugunsten einer subtilen Komposition jedoch total abgeschnitten. Das Ölkännchen deutet auf eine lebenswichtige Veränderung hin: die Begegnung mit Inge-Trude, die in zahlreichen Bildern geehrt wird, seine große Liebe und künftige Ehefrau stammend aus dem Autobetrieb („Das Ölkännchen zeigt einfach, ab jetzt liefs wie geschmiert“, sagt der Künstler lachend dazu). Es ist nicht so, dass so eine flockige Anekdote das Bild zureichend erklärt, es gibt immer diesen ganz persönlichen Impuls und Zugang, aber das vermeintlich Leichte gereicht auf den zweiten Blick immer zum Allgemeineren, Größeren, Tiefsinnigen, Sinnbildlichen und Symbolischen, Allegorischen.


Hier ist auch ein Unterschied zu den Pop-Art Malern der 1960er Jahre, die Massenprodukte malten: ihnen fehlte die persönliche Verbindung, die anekdotische Verknüpfung: Warhols Suppendosen kamen aus den Prospekten und nicht aus seinem Schrank. Vom Gegenstand abgesehen sind Hezels Formate ausgeklügelt komponiert und farbig beeindruckend in Abgleich gebracht. „Einer, der eben ebbes kann“, das ist ja offensichtlich. Das Auge gleitet weiter und man erkennt immer wieder Wände in Nahsicht, an den Wänden Schilder, Schrift, Gerätschaften, z.B. der rote Kaugummiautomat mit Drehhebel, den es vereinzelt noch immer gibt. Welch herrliches Objekt, das Hezel in allen Nuancen feiert, mit Transparenzen und den zuckrigen Kugeln innen, würdevoll, so wie Velasquez einen Papst mit rotem Ornat inszenierte. Die Farben der ersten Bilder leuchten in der Tiefe, aber sein Bildpersonal festigt sich immer mehr: es sind die alltäglichen Dinge, die man im Vorübergehen übersieht oder die man nutzt ohne darauf zu achten, die zu seinen Hauptprotagonisten werden. Die uns bekannten Gassen und Ecken in der Stadt erscheinen ihm bildwürdig, nicht als schmucke Postkartenansicht, sondern in Nahsicht, die Perspektive gesenkt und abgewandelt. Heute längst ganz anders. Und was er uns entdeckt: die Dinge wurden genutzt, es ist immer auch ein Knacks dran, ein Riss, ein Rost, ein Staub oder Bruch. Ein Memento Mori, was die Kunstgeschichte der Stillleben seit dem Barock Vanitasmotiv nennt. Vergänglichkeit aller Dinge, die sich auf den Weg gemacht haben dereinst wieder Staub zu sein. Sein zunehmend neusachlicher Blick tendiert zu altmeisterlichen Details, die die Holzmaserung, das Metall der Sense, das Glas auf naturalistische Weise widerspiegeln. Sind da doch Menschen? Nein es ist die Aufsicht auf den Kickertisch, ein Püppchen aus dem Überraschungsei, ein Holzkopf.


Der Mensch erscheint immer in Gedanken hinter seinen Dingen des Alltages, hinter Streichholz, Hammer, Büroklammer, die er bei der Alpha-Omega-Serie – die beiden Schriftzeichen gesetzt von aberhunderten kleinen Dingen, zeigt. Es ist eine Trompe-l’œil– Malerei im klassischen Sinne, also ein im Originalmaßstab in aller Schärfe dargestellter Sachnaturalismus, der in der Kombination tausende Assoziationen ermöglicht und gleichzeitig zeigt, wie die Zeit rinnt – das Titelmotiv des zweiten Katalogs zeigt eine Uhr mit Sägeblättern – so manches Produkt gibt es heute schon gar nicht mehr. „Da hat er aber sehr lange gebraucht, wie hat er das bloß hingekriegt“ staunt Gerhard Hezel vor zwei Wochen bei der Betrachtung seiner eigenen Bilder über sein Alter Ego aus früheren Jahren.
Auf der anderen Seite enthält Alpha und Omega – Also Anfang und Ende von Zeit und Leben – auch Zeugen des Ewigen: Steine, Kristalle, Kiesel; Hezel ist fasziniert, verwundert und verzaubert von der Entwicklung der Erde, von den Erosionen, Epochen, wechselhaften Phasen von Warm- und Eiszeiten, die dazu führen, dass diese Elemente uns genau so nun gegenüberliegen. Wie kam das denn? Das alles muss ins Bild, denn es bedeutet so viel! Sein Blick in den Microbereich öffnet daher immer den Blick ins große Zusammenhängende, Kosmische und Universelle. Das Heimatliche, das frisch gebackene Waiblinger Sternenbrot hängt wie ein Stern am Firmament, ein Wortwitz, ein Bildwitz, aber eine Vertiefung, wenn man beim Bild bleibt und dem Schauen Zeit gibt. Die Gegenstände sind real, sie umgeben den Künstler in seinem Atelier, er baut sie installativ zu Versuchsanordnungen auf, die er sehr lange betrachtet und als Bild umsetzt und variiert. In der Stuttgarter Oberwelt wurde bei der Ausstellung Original und Bild zusammen gezeigt, also erstmals auch die Vorlagen offengelegt. Wir gehen in Betrachtung ganz nah heran und staunen über die Einzelheiten. Sein Stil veränderte sich von den tiefen Farbfeldern im eher koloristischen aus den 1960er Jahren nun hin zum Beschreibenden, teils von der Grafik und dem Graphit umrissenen „Disegno“, zur Klarheit und Überschärfe.


Da sieht man doch tatsächlich beim hölzernen Treppenteil die Löcher der Holzwürmer. Wieder eine Geschichte von Gerhard Hezel: das größte Kompliment für die Qualität seiner Bilder wäre eigentlich aus der Natur gekommen, so seien die Holzwürmer (offiziell der gemeine Nagekäfer) bei ihrem Hochzeitsflug – als sie aus den Ritzen seines Anschauungsobjekts gekrochen waren schnurstracks zu seinem Bild geflogen, um in die Löcher des Bildes zu kriechen, die ja aber reine Illusion waren. Hier reiht sich Hezel nahtlos in die Geschichte legendenumwobener Künstler ein, wie dem Zeuxis, einem Maler der griechischen Antike, der Trauben dermaßen saftig und wirklichkeitsnah gemalt habe, sodass die Vögel daran pickten. Mehr geht nicht. Doch Hezel unterstützt den Illusionismus noch dadurch, dass er Holz-Kisten mit seinen Sammeleien als materielle Künstlerrahmen einbaut und damit die Brücke hin zum Objekthaften erweitert wird. Was sich immer wieder finden wird, ist das Farbspektrum des Regenbogens, nicht zu verwechseln mit weltanschaulichen politischen Agendas – das ist nicht sein Thema, er bezeichnet sich als 1-Mann-Partei – der Regenbogen ist ja ein biblisches Zeichen für den neuen Bund nach der Sintflut, symbolisch für Hoffnung, Treue, Versöhnung. Er steht physikalisch direkt in Verbindung mit dem Element Wasser, wo es regnet und Sonnenlicht herrscht spaltet sich das weiße Licht in Spektralfarben auf, die im kleinen Tropfen den großen Regenbogen als Erscheinung hervorrufen. Dort, wo in Hezels Bildern Wasserspeicher (Zisternen), Wasserspender (Kannen, Schläuche, Hahnen) auftauchen, Schläuche in Bogen- und Rundformen, das sind übrigens relativ aktuelle Werke, da schimmert auch der Regenbogen, dringt das Elementare durch, zeigt sich Natur als Ereignis, die menschengemachten Sachen als Erscheinung. Hinter uns im großen Triptychon persifliert Hezel das große Thema der Kreuzigungsgruppe, wo bei Matthias Grünewalds Isenheimer Altar unterm Kreuz die Mutter mit betenden Händen zusammenbricht bietet sich uns ein Körbchen mit Wein, Wurst und Remstalsprudel und lädt zum Verweilen ein. Ist das Ketzerisch? Nein, am Holzbalken hängt doch nur die Vogelscheuche aus verschlissenen Textilien, Radkappe und sonstigem Straßenrandgut zusammengestoppelt. Das Göttliche steckt in Wein und Brot und der Mahlzeit, die das Land uns schenkt, die mit der Arbeit der Sense, der Latzhose, den Gummistiefeln, die Gerhard Hezel weiß Gott oft getragen hat, verbunden sind.


Sie sehen, es sind Gegensätze, die der Maler oftmals herauskehrt, in deren Spannungsfeld wir uns wiederfinden und widerspiegeln:

Spannungsfelder in Gegensätzen wie: Heimat und Kosmos, Nah und Fernsicht, Hier und dort, Witz und Ernst, Oberfläche und Tiefe, Großes und Kleines, Profanes und Sakrales, Beständiges und Vergängliches.

Alle Merkmale für gute Kunst sind ergo enthalten: Inhaltlich tiefsinnig, gestalterisch ausgeklügelt und nie flach, handwerklich altmeisterlich in der Umsetzung. Bilder mit denen man, und wir tun dieses, viele Jahre leben kann und will, was viele Sammler auch erkannt haben. Ein Chronist des Gegenwärtigen und Lokalen, ein Heimatmaler im ganz konzentrierten wahrhaftigen Sinn, der den röhrenden Hirsch nicht platt auf der Waldlichtung als sentimentalen Kitsch präsentiert, sondern das Geweih überraschend in besonderem Format als Wappen mit lokalen Kombinaten veredelt. Gerhard Hezel ist hier geprägt und verankert, er verdichtet was war und was ist; dies macht ihn zu einem Juwel für unsere Kunstszene hier, und hier kommt der Zeuge wieder ins Spiel: es macht ihn selbst zu einem wesentlichen Zeitzeugen, der uns die Zeugnisse der Zeit vorhält.
Tiefstapelnd schwäbisch: mr ko´s angucka, s´isch irgendwo scho was bsondres.

Dabei ist er noch äußerst sympathisch, auf knitze Weise bescheiden, verbindlich und – bis heute voller Ideen für weitere Bilder. Er sagt für hunderte Gemälde, und dafür wünsche ich ihm Kraft, Freude und den notwendigen Humor. Hezel sagt – wieder mit Funkeln im Blick und Grinsen: „Ich bin der erfolgreichste Erfolglose.“—Man muss ihm ja nicht immer recht geben, schauen Sie sich um, Wände, Sitze, Herzen und Gläser gefüllt…Erfolglosigkeit sieht ganz anders aus.

Ansprache zur Ausstellung „Gerhard Hezel – 90 Bilder zum 90.“ Zeitungshaus Waiblingen

Von Wolfgang Neumann, 21.9.2025

Abbildungen von Exponaten mit freundlicher Genehmigung des Künstlers: Es handelt sich um eine Auswahl von Bildern, die in der Laudatio erwähnt werden. Titel: Tryptichon, Uhr mit Sägeblättern, Hammer und Sichel, Regenbogenschlauch mit Lockente, 1000 Liter, Meine 2 Masken, A+O mit Steinen, Linksseitiges Treppenteil, Medallion für Inge-Trude, BP Stilleben, Michelin Männchen – alle © Gerhard Hezel
(Fotos: Tom Becker)