Titelfoto: HBieser
Tübingen Spiegelungen (Pixabay)

Sisters & Brothers in der Kunsthalle Tübingen

Die Tagesfahrt am 25.2.2023 führte nach Filderstadt und anschließend nach Tübingen

The Brown Sisters, Greenwich, Rhode Island, 1980; Silbergelatinen-Abzug 19,3 x 24,4 cm; Olbricht Collection; © Nicholas Nixon, courtesy Fraenkel Gallery, San Francisco

500 Jahre Geschwister in der Kunst

Die Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen vom 19.11. – 16.4.2023 hieß ganz schlicht „Sisters and Brothers – 500 Jahre Geschwister in der Kunst“. Das klingt zunächst mal sehr allgemein und profan. Das Thema ist aber tatsächlich sehr tiefgründig und kann aus vielerlei Perspektiven betrachtet werden.

Das haben wir in der Kunsthalle im wahrsten Sinne des Wortes erlebt. Hier wurde mit rund 100 Kunstwerken gezeigt, welch verschiedene Perspektiven Künstler und Künstlerinnen gewählt haben, um Geschwisterbeziehungen künstlerisch umzusetzen.

Wir fanden in der Ausstellung Gemälde, Skulpturen und Objekte und Videokunst vor, also auch ein breites Spektrum an Techniken. Interessant war zudem, dass die Arbeiten aus einer langen Zeitspanne stammen, einer Zeitspanne, die vom 16. Jahrhundert bis in unsere Tage reicht.

Die älteren Arbeiten waren schöne Gemälde, ganz romantische Bilder, viele bürgerliche Familiensituationen… alles Geschwisterbilder, die sozusagen den ‚schönen Schein‘ wahren. Darstellungen, die die schöne Seite der Geschwisterbeziehung zeigen. Das gibt’s natürlich heute auch noch: schöne Geschwisterbeziehungen sowie ihre Darstellung. Gott sei Dank möchte man sagen!

Aber in der Ausstellung fanden sich auch Werke, die sich eher mit den herausfordernden Seiten in Geschwisterbeziehungen befassen. Vor allem die zeitgenössischen Darstellungen zeigten dies. Das geschah oft mit ironischen Mitteln.

Wir alle kennen beide Seiten einer Geschwisterbeziehung. Und genau dieser Aspekt macht dieses Thema – über das kunsthistorische Interesse hinaus – auch noch ganz individuell, ja persönlich interessant.

Jeder von uns ist Geschwister oder kennt Geschwister. Manche haben ein Geschwister, andere haben sogar viele Geschwister. Oder wir haben Kinder, die Geschwister sind. Es gibt Stiefgeschwister, es gibt Zwillinge und es gibt – nicht erst in Zeiten der Digitalisierung – virtuelle Geschwister, Geschwister im Geiste‘.

Geschwisterliebe, Geschwisterzwist, Geschwisterrivalität: wir haben alles schon selbst erlebt oder bei unseren Freunden mitbekommen.

Wir wissen aber auch von der eigentlich unbeschreiblichen tiefen Verbundenheit, die man durch alle Konflikte hindurch mit seinen Geschwistern haben kann. Der Volksmund sagt dazu: „Blut ist dicker als Wasser“.

Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft, egal, ob sie ganz klein oder ganz groß ist. In den allermeisten Fällen bleiben Menschen mit ihrer Ursprungsfamilie in Kontakt. Auch nachdem sie diese bereits verlassen haben. Das Aufwachsen in einer Familie prägt uns für das ganze Leben.

Wer mit Geschwistern aufwächst, kennt beide Seiten: die Sorge umeinander, die Solidarität – nicht nur den Eltern gegenüber – aber eben auch die Konflikte, die Streits, die man miteinander austrägt. Und das wiederum sind eigentlich die Basics des Zusammenlebens. Des Zusammenlebens in einer Familie, aber auch in einer Gesellschaft. Das sind sozusagen eine Schlüsselqualifikationen für das menschliche Miteinander.

Es lohnt sich also auf jeden Fall, sich mit der Geschwisterbeziehung auseinander zu setzen, immerhin ist sie in der Regel die längste Beziehung im Leben eines Menschen.

So geschehen ist es erstaunlich, dass dieses Thema bislang noch sehr wenig wissenschaftlich betrachtet worden ist.
Schön für uns, dass die Kunsthalle Tübingen das nun aus der Perspektive der Kunst heraus begonnen hatte.

Ich nenne – zum Appetit machen – nun noch ein paar ganz bekannte Namen, die die Kunsthalle auf ihrer Website ankündigt hatte: Joseph Beuys, Gustave Courbet, Otto Dix, Erich Heckel, Alexej von Jawlensky, August Macke, Cindy Sherman, Erwin Wurm, Moritz von Schwind… sind darunter, um nur ein paar Künstlerinnen und Künstler zu nennen.
(Text: Juliane Sonntag)

https://kunsthalle-tuebingen.de/ausstellungen/sisters-and-brothers/

Leopold Kupelwieser; Albert, Moritz und Leopold von Neuwall; 1820; Öl auf Leinwand; 72 x 95,7 cm; 1987 Ankauf aus Privatbesitz unter Mitwirkung des Vereins der Freunde der Österreichischen Galerie Belvedere Foto: © Belvedere, Wien

Blick auf die Kunsthalle Tübingen
Foto: Wynrich Zlomke

Wir danken der Kunsthalle Tübingen für die freundliche Zurverfügungstellung des Bildmaterials.